Veranstaltung: | Wahlprogramm-Mitgliederversammlung |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.04.2021, 15:40 |
Antragshistorie: | Version 1 |
4. Selbstbestimmt und solidarisch zusammenleben
Text
4. Selbstbestimmt und solidarisch zusammenleben
Neukölln zeichnet sich durch seine vielfältige und solidarische Gesellschaft aus. Wir
möchten diese bewahren und uns dafür einsetzen, dass unser Bezirk für ganz
unterschiedliche Menschen ein attraktiver Lebensmittelpunkt ist. Solidarität und
Gemeinsinn sind dafür genauso wichtig wie eine gut ausgestattete soziale Infrastruktur,
die allen Menschen gleichermaßen zugänglich ist.
Kinder und Jugendliche, die in unserem Bezirk aufwachsen, sollen die bestmöglichen
Startbedingungen haben. Bildung und Freiräume sind hierfür eine zentrale Ressource. Diese
Erkenntnis muss sich endlich auch in den Schulen widerspiegeln. Unsere
Bildungseinrichtungen bedürfen einer angemessenen Ausstattung, um Lernen, Begegnung und
Austausch zu ermöglichen.
In Neukölln erleben wir besonders stark, dass unser Gemeinwesen angegriffen wird – und
zwar von Rechts. Wir werden uns weiterhin für die konsequente Aufklärung der rechten
Terrorserie einsetzen. Wir bleiben ein verlässlicher Partner für die
zivilgesellschaftlichen, antifaschistischen Bündnisse in unserem Bezirk. Rassismus,
Antisemitismus, Sexismus und LSBTIQ*-Feindlichkeit werden wir weiterhin aktiv bekämpfen
und dafür Sorge tragen, dass sich alle im öffentlichen Raum sicher und frei fühlen können.
Kultur spielt für den gesellschaftlichen Austausch eine wichtige Rolle. Die Freiheit der
Kunst werden wir verteidigen, Künstler*innen und Kulturstandorte in unserem Bezirk stärken
und die kulturelle Teilhabe aller erhöhen.
Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie wichtig eine funktionierende und wohnortnahe
Gesundheitsversorgung ist. Zentral hierfür sind eine einfach zugängliche ambulante und
stationäre Versorgung sowie ein gut ausgestatteter öffentlicher Gesundheitsdienst. Die
Privatisierung und Gewinnorientierung von Krankenhäusern haben zuletzt die Schwächen des
gegenwärtigen Systems offenbart.
Schlüsselprojekte:
- „Netzwerk gegen Kinderarmut“ aufbauen
Wir setzen uns für ein „Netzwerk gegen Kinderarmut“ in Neukölln ein. Darin sollen
die zuständigen Verwaltungen, Institutionen und Organisationen gemeinsam mit der
Zivilgesellschaft Hilfsangebote und Maßnahmen abstimmen und organisieren. Egal an
wen sich ein Kind oder seine Familie wendet, im Netzwerk stehen immer sofort die
Möglichkeiten des gesamten Verbunds zur Verfügung – auch in Abstimmung mit weiteren
Akteur*innen auf Landesebene.
- Schulreinigung bis 2026 rekommunalisieren
Saubere Schulen sind Grundlage für gute Lernbedingungen. Gemeinsam mit vielen
Eltern, Lehrkräften und Schüler*innen kämpfen wir darum für eine saubere, angenehme
und anregende Lernumgebung und gegen prekäre Arbeitsverhältnisse. Unser Ziel ist die
Schulreinigung bis 2026 vollständig zu rekommunalisieren und Schulen feste
Reinigungskräfte als Teil der Schulgemeinschaft zuzuordnen.
- Rechtsextreme Strukturen aufdecken, Diskriminierung abbauen und Zivilgesellschaft
stärken
Die rechtsextreme Terrorserie in Neukölln ist noch immer nicht aufgeklärt, viele
Neuköllner*innen fühlen sich von rechtsextremem Terror bedroht. Um für Aufklärung zu
sorgen setzen wir uns auf Landesebene für die Einsetzung eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus ein. Mit der Einrichtung einer
parlamentarischen Enquete-Kommission wollen wir diskriminierende Strukturen und
Praktiken in den Berliner Sicherheitsbehörden und der Verwaltung aufdecken und
Maßnahmen dagegen entwickeln und umsetzen. Außerdem setzen wir uns für die Stärkung
zivilgesellschaftlicher Akteur*innen im Bezirk ein und unterstützen
antifaschistische Strukturen, die als Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt tätig
sind.
4.1. Gleiche Chancen für alle Kinder
Kinderarmut bekämpfen und Familien stärken
Wir Grüne wollen Chancengerechtigkeit für alle Neuköllner Kinder. Kinderarmut sagen wir
den Kampf an, denn Fakt ist leider: Die soziale Herkunft entscheidet immer noch maßgeblich
über Lebens- und Bildungschancen, und damit auch über die eigenen Zukunftsperspektiven.
Die Hälfte der Kinder in Neukölln lebt in Familien, die auf Transferleistungen (z.B. Hartz
IV) angewiesen sind. Auf Bundesebene kämpfen wir daher für eine unbürokratische
Kindergrundsicherung. Sie soll ohne zusätzliche Antragstellung ausgezahlt werden und so
auch gegen verdeckte Armut wirken. In Neukölln setzen wir uns für ein „Netzwerk gegen
Kinderarmut“ ein. Darin sollen die zuständigen Verwaltungen, Institutionen und
Organisationen gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen Hilfsangebote und
Maßnahmen abstimmen und organisieren. Egal, an wen sich ein Kind oder seine Familie
wendet, im Netzwerk stehen immer sofort die Möglichkeiten des gesamten Verbunds zur
Verfügung. So kann zukünftig verhindert werden, dass erfolgsversprechende Angebote im
„Verwaltungs-Ping-Pong“ verloren gehen.
Ob Kindergeld, Kita-Gutschein, Berlin-Pass, Förderangebote oder Ummeldungen – den aktuell
bestehenden Hürdenlauf von einem Amt zum nächsten können viele Familien schlicht nicht
leisten. Berlinweit haben wir Grüne uns daher auch dafür eingesetzt, dass
Familienservicebüros eingerichtet werden, in denen alle Fragen rund um die Themen Kita,
Hort, Unterhaltsvorschuss und Elterngeld gebündelt werden. In Neukölln wird nun ein
solches Servicebüro im Jugendamt eingerichtet. Den Umsetzungsprozess werden wir eng
begleiten, eine Evaluierung der Arbeit des Büros beauftragen und da wo nötig
Verbesserungen in die Wege leiten.
Wir Grüne haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Neuköllner Projekt der
Stadtteilmütter eine stabile Finanzierung durch das Land Berlin erhält. Mittlerweile hat
das Projekt berlinweit Fuß gefasst: In allen Bezirken konnten
sozialversicherungspflichtige Stellen geschaffen werden – allein in Neukölln 19 feste,
zusätzliche Stellen im Jahr 2020. Unser Ziel ist es, diesen Erfolg fortzusetzen und die
Finanzierung von sozialer Arbeit vor Ort, gerade auch sprach- und kulturmittelnder Peer-
to-Peer-Angebote, weiter auszubauen.
Verbesserung der Kinderbetreuung in unserem Bezirk
Das frühkindliche Bildungsangebot ist ein wichtiger Baustein, um das Versprechen
einzulösen, allen Kindern die gleichen Startchancen zu geben. Trotz großer Anstrengungen
fehlen in Neukölln aber noch immer Kitaplätze. Wir werden uns dafür einsetzen, dass der
Kapazitätsengpass zügig abgebaut wird. Dabei wollen wir auch Bauherren stärker in die
Pflicht nehmen: wo Wohnungen gebaut werden, müssen wo immer möglich auch Kitas errichtet
werden. Außerdem wollen wir ein abteilungsübergreifendes Kita-Beschleunigungs-Team ins
Leben rufen, das geeignete Flächen identifiziert, Träger bei der Antragsstellung für
Fördermittel begleitet und die Realisierung voran treibt. Kitas in Ladenlokalen versuchen
wir wo immer möglich z.B. über Abwednungsvereinbarungen zu sichern.
Das Kita-Personal leistet gesellschaftlich wichtige Arbeit, ohne entsprechend dafür
entlohnt zu werden. Wir möchten, dass die Mittelzuweisungen des Landes Berlin an die
Träger, die Bezahlung der Mitarbeiter*innen in Höhe des TV-L abdecken. Wir werden uns
gegenüber der Landesebene dafür einsetzen, dass ein Automatismus nach Tarifvereinbarungen
erreicht wird und der finanzielle Eigenanteil der freien Träger schrittweise reduziert
werden kann. Die Benachteiligung von Kitas in freier Trägerschaft im Rahmen der Berlin-
Zulage wollen wir beenden und fordern vom Senat zudem, die Arbeitsbedingungen attraktiver
zu gestalten, um ausreichend Auszubildende zu gewinnen und den Personalbedarf nachhaltig
zu sichern.
Solange das Kita-Angebot die Bedarfe von Familien und Kindern nicht abdeckt, braucht es
flexible Angebote, um (alleinerziehende) Eltern insbesondere in den Randzeiten des
Betreuungsangebots zu entlasten. Und zwar nicht nur, um Zeit für die Erwerbsarbeit,
sondern auch für Erholung und Selbstverwirklichung zu haben. Wir möchten daher Netzwerk-
und Lots*innendiensten – wie etwa den “Mobilen Kinderbetreuungsservice für Eltern mit
besonderen Arbeitszeiten” (MoKiS) – stärken und bekannter machen.
Jugend braucht Räume und Teilhabe
Wir Grüne Neukölln setzen uns für eine Jugendarbeit ein, die nicht auf Presseauftritte und
stigmatisierende Äußerungen setzt, sondern die Entfaltung aller Jugendlichen zum Ziel hat.
Sie sollen ohne Diskriminierungserfahrungen groß werden, und sich frei entwickeln können,
egal ob die Eltern viel oder wenig Geld haben. Sie sollen lernen, sich in die Gesellschaft
einzubringen und politisch zu beteiligen. Die Jugendarbeit war in den letzten Jahrzehnten
weitestgehend unterfinanziert. Zum einen, weil das dafür nötige Geld fehlte und zum
anderen, weil sie – zu Unrecht – als „freiwilliges Angebot“ des Bezirks aufgefasst wurde.
Nicht nur im dicht besiedelten Norden Neuköllns hat diese Vernachlässigung die
Chancengerechtigkeit vieler Generationen Jugendlicher stark beeinträchtigt. In Rixdorf und
am Reuterplatz aber auch im Süden in Buckow und Britz ist die Unterversorgung eklatant.
Mit Stand von 2019 fehlen für die Kinder-und Jugendfreizeiteinrichtungen 2.366 Plätze. Vor
allem die Zielgruppe älterer Jugendlicher braucht mehr Plätze in Jugendzentren. Viele der
bestehenden Jugendfreizeiteinrichtungen weisen überdies einen dringenden Sanierungsbedarf
auf und es fehlt oftmals an barrierefreien Angeboten.
Wir kämpfen auf der Landesebene um Investitionsmittel für die Einrichtung neuer
Jugendfreizeiteinrichtungen sowie für die Modernisierung der bestehenden. Bei Bauvorhaben
ist vor allem auf eine ökologisch sinnvolle sowie barrierefreie Bauweise zu achten. Die
Kinder und Jugendlichen sollen in die Planung einbezogen werden.
Das neue Jugendfördergesetz erlaubt neben der standortgebundenen Jugendarbeit
vielfältigere Angebotsformen. Auf dieser Basis möchten wir bis zur Fertigstellung neuer
Jugendfreizeiteinrichtungen die fehlenden Angebote durch mobile Jugendarbeit kompensieren.
Diese mobilen Angebote möchten wir im Jugendförderplan ab 2022 priorisieren.
Wir möchten die Beteiligung von Jugendlichen und Kindern an politischen Prozessen ausbauen
und sie Demokratie altersgerecht erfahren lassen. Wir setzen uns daher für die Einrichtung
eines Kinder-und Jugendparlaments (KJP) ein, durch das sie sich an der Gestaltung ihres
Bezirks beteiligen können. Die dort erarbeiteten Vorschläge und Anträge sollen regelmäßig
in der Bezirksverordnetenversammlung und im Jugendhilfeausschuss angehört, besprochen und
gemeinsam diskutiert werden. Im Bezirksamt soll eine Stelle eingerichtet werden, die die
Arbeit des Kinder- und Jugendparlaments begleitet, Kinder und Jugendliche für die
Mitarbeit gewinnt und erwachsene Multiplikator*innen sensibilisiert. Damit das KJP die
Vielfalt unseres Bezirks widerspiegelt, sollen alle Kinder und Jugendlichen die
Möglichkeit haben, sich dafür wählen zu lassen.
Lange gemeinsam lernen an vielfältigen Schulen
Bildung ist einer der wichtigsten Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Die Pandemie
hat gezeigt, dass Kinder mehr benötigen als das Vermitteln von Wissen. Sich selber und die
eigenen Fähigkeiten kennenlernen, soziales Miteinander und Mitbestimmung erproben – all
das soll Schule stärken. Unser Ziel ist die vor Ort verankerte „Kiezschule für alle“ –
gemeinsames Lernen in vielfältigen und inklusiven Gemeinschaftsschulen. Schüler*innen
sollen nach unserer Vorstellung so lange wie möglich zusammen lernen und sich in einem
Umfeld bewegen, das die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt und ihnen alle
Bildungsabschlüsse möglichst lange offenhält. Die Kiezschule ist zugleich ein
Bildungsanker, an dem Familien aus der Nachbarschaft zusammenkommen, die nachmittags und
abends Räume anbietet für Sportvereine oder zivilgesellschaftliche Initiativen und so
echtes Miteinander ermöglicht. Dafür bedarf es guter Konzepte für Binnendifferenzierung,
Profilbildung und soziales Lernen sowie mehr Personal, um Vielfalt zum Grundbaustein von
Schule zu machen. Wir wollen deshalb im Bezirk eine Vernetzungsstelle einrichten, welche
in Absprache mit der Schulaufsicht und den Schulen Konzepte zur Umsetzung der "Kiezschule
für alle” erarbeitet, Schulen berät und bei der Akquise von Fördermitteln hilft.Schulen
müssen heute vielen Anforderungen gerecht werden. Um das leisten zu können, brauchen sie
multiprofessionelle Teams, zu denen neben Lehrkräften und Erzieher*innen auch
Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und mehr Verwaltungspersonal zählen. Auch
Pädagog*innen, die für die Profilbildung einer Schule relevant sind und sich z.B. auf
Umwelt-, Theater- oder Gesundheitspädagogik spezialisiert haben, sollten
selbstverständlich zum Team gehören. Dafür machen wir uns auf der Landesebene stark. Wir
wollen die engagiertesten und bestens ausgebildeten Lehrer*innen für unsere Schulen. Diese
möchten wir zukünftig gezielt für unseren Bezirk begeistern. Qualifizierte
Quereinsteiger*innen sollen an unseren Schulen ergänzend eingesetzt und auf diese adäquat
verteilt werden.
Wir wollen den Diskriminierungsschutz an Neuköllner Schulen stärken. Daher setzen wir uns
für eine unabhängige bezirkliche Antidiskriminierungsstelle ein, die als Teil einer
unabhängigen Beschwerdestelle auf der Landesebene und vor Ort wirken soll. Die Neuköllner
Stelle soll vor Ort Vernetzungs- und Beratungsarbeit leisten, eng mit
zivilgesellschaftlichen Antidiskriminierungsberatungsangeboten zusammenarbeiten und
Anlaufstelle für Neuköllner Schüler*innen, Eltern, Bezirksgesellschaft und Schulpersonal
sein.
Unser Ziel ist, dass Inklusion und Barrierefreiheit an jeder Neuköllner Schule zur
Selbstverständlichkeit werden, damit alle Kinder bestmöglich gefördert werden können.
Schulneubauten und Erweiterungen müssen grundsätzlich barrierefrei gestaltet und
bestehende Schulgebäude sollen schnellstmöglich entsprechend weiterentwickelt werden. Hier
muss das Land Berlin die Bezirke bei der Umsetzung finanziell unterstützt. Auf Landesebene
setzen wir uns dafür ein die multiprofesionellen Teams weiterzuentwickeln, beispielweise
indem die Ausbildung und die Arbeitssituation der Schulbegleiter*innen deutlich verbessert
wird.
Zur Vielfalt unseres Bezirks gehört die Förderung von Mehrsprachigkeit. Das Angebot für
Nicht-EU-Sprachen - etwa arabisch - möchten wir an unseren Schulen verbessern. Für den
türkischen Sprachunterricht sollen Schulen politisch unabhängige freie Träger gewinnen, um
für Muttersprachler*innen und weitere interessierte Schüler*innen einen qualifizierten
Sprachunterricht anzubieten.
Schulneu- und -ausbau und angemessene Ausstattung
Unterrichtsräume reichen auch in Neukölln schon lange nicht mehr für alle Schüler*innen
aus. Viele der Bestandsgebäude im Bezirk sind zudem sanierungsbedürftig. Die rot-rot-grüne
Landesregierung hat mit der „Schulbauoffensive“ ein milliardenschweres, umfassendes Neu-
und Ausbauprogramm für Schulen angeschoben. Diese Maßnahme war überfällig und wurde von
vorherigen Regierungen sträflich versäumt. Die Sanierung und wo nötig Erweiterung von
Schulen muss eine bezirkliche Schwerpunktaufgabe werden. Um die reibungslose
Zusammenarbeit der beteiligten Ämter zukünftig zu gewährleisten, möchten wir eine
koordinierende Stelle einrichten. Sie soll Planung, Konzeption, Finanzierung und
Durchführung abteilungsübergreifend zusammendenken und vorantreiben. Sie soll partizipativ
arbeiten, realistische Ziele definieren und transparent kommunizieren.
Wir werden uns für eine beschleunigte Fertigstellung der in der Planung befindlichen
Schulen – etwa der Grundschule am Koppelweg – einsetzen, ebenso wie für den Ausbau und die
dringende Sanierung der Bestandsgebäude. Neukölln benötigt in den nächsten Jahren viele
zusätzliche Schulplätze im Grund- und Oberschulbereich. Hierfür müssen neue Flächen
gesichert und bestehende (auch ehemalige) Schulflächen bzw. Gebäude dürfen nicht
umgewidmet werden. So wollen wir z. B. die Grundstücke der alten Clay- und Leonardo-da-
Vinci-Oberschule für Schulneubauten und andere soziale Infrastruktur erhalten.
Hier haben wir in den letzten Jahren mit mehreren Machbarkeitsstudien die Grundlagen
geschaffen, z.B. für die Regenbogen- und die Zuckmayer-Schule. Der Schulbau soll unter
ökologischen und pädagogischen Gesichtspunkten erfolgen und die sozialräumliche Öffnung
der Schulen einplanen . Wir wollen, dass Schulneubauten in Neukölln vorrangig als
Gemeinschaftsschulen geplant werden. Integrierte Sekundarschulen und Gymnasien sollen
darin unterstützt werden, sich zu Gemeinschaftsschulen weiterzuentwickeln.
Die Versorgung von Neuköllner Kindern darf nicht vom Geldbeutel ihrer Eltern abhängen. Das
kostenlose Mittagessen für alle Grundschüler*innen ist ein großer Erfolg, für den wir
Grüne uns lange eingesetzt haben.
In der Umsetzung der Muster-Ausschreibungen für das Schul-Catering durch die
Senatsverwaltung werden wir weiter darauf drängen, dass beim Schulessen "bio, fair &
regional" noch deutlich weiter als bisher in die Kriterien aufgenommen wird. Auch hier
haben wir bereits viel erreicht. Der Bio-Anteil ist von unter 15 Prozent bereits deutlich
gestiegen und wird ab 2021 auf 50% steigen. In Schulkantinen und -cafés soll durchgehend
auf Einweggeschirr verzichtet werden. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass Schulkantinen
die Ausstattung einer Vollküche erhalten, um den gestiegenen Ansprüchen an gesunde
Mahlzeiten und Ernährungsbildung auch gerecht werden zu können. Dazu gehört auch der
Ersatz älterer durch energiesparende Geräte. Etwaige Platzprobleme müssen mit dem Ausbau
der Kantinen zügig behoben werden. Denn viele Schulen verfügen über gar keine oder keine
ausreichend große Mensa. Sie müssen bei der Umsetzung des kostenlosen Mittagessens
grundlegend gestärkt werden. Um gezielt und priorisiert neue Räume für das Mittagessen für
alle zu schaffen, fordern wir auf Landesebene das Mensabauprogramm finanziell deutlich
aufzustocken.
Schulen in Neukölln sollen Orte sein, an denen gutes Lernen möglich ist. Das geht nur,
wenn die Klassenzimmer, die Gänge und die Schultoiletten sauber sind. Leider ist das
derzeit nicht ausreichend der Fall. Gleichzeitig arbeiten die Reinigungskräfte häufig in
prekären Arbeitsbedingungen – ein Zustand, den wir Grüne beenden möchten. Wir haben uns in
dieser Wahlperiode in der Bezirksverordnetenversammlung für die Rekommunalisierung der
Schulreinigung eingesetzt und damit die Forderung der Initiative „Schule in Not“, der
Gewerkschaften GEW, IG Bau und ver.di unterstützt. Unser Ziel ist nun, die Schulreinigung
bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode vollständig zu rekommunalisieren und Schulen
feste Verantwortliche zuzuordnen, die als Teil der Schulgemeinschaft für die Sauberkeit
und Pflege der Klassenzimmer, Gänge und Toiletten sorgen – in einem sicheren
Arbeitsverhältnis mit fairer Bezahlung.
Zuletzt hat uns die Pandemie vor Augen geführt, dass die Neuköllner Schulen in punkto
Digitalisierung immensen Nachholbedarf haben. Um dem entgegenzuwirken, setzen wir uns für
ein „Kickstartprogramm Digitalisierung“ ein. Das Land Berlin soll mit einem landeseigenen
Unternehmen den Netzausbau selbst vorantreiben, damit alle Schulen ans Glasfasernetz
angeschlossen werden. Wir fordern von der Landesebene zudem ausreichende Mittel, um
Lehrer*innen und Schüler*innen mit zeitgemäßer Hardware und Software auszustatten. Wir
setzen uns dafür ein, dass jedes Kind in Neukölln die Ausstattung erhält, die es braucht,
um am digitalen Unterricht teilnehmen zu können. Das Bezirksamt soll die Neuköllner
Schulen dabei beraten und unterstützen, eine entsprechende digitale Ausstattung
aufzubauen. Für uns ist überdies klar: Digitaler Unterricht braucht eigene Konzepte und
eine angepasste Pädagogik für die Wissensvermittlung auf Distanz. Dafür ist es wichtig,
dass Lehrkräfte die notwendige pädagogische Weiterbildung erhalten. Schüler*innen und
Lehrer*innen möchten wir Zugriff auf digitale Wissensbestände – etwa von Bibliotheken –
sicherstellen.
Schule weiter denken
Der schulische Alltag beginnt auf dem Schulweg. Diesen möchten wir mit deutlicher
Verkehrsberuhigung vor jeder Schule, kindergerechten Grünphasen an Ampeln und sicheren
Radwegen verbessern. In unserem Bezirk sind viele Schüler*innen die ersten in ihrer
Familie, die das Abitur ablegen und ein Studium aufnehmen. Andere machen eine Ausbildung,
gründen Unternehmen oder unterstützen die Verwaltung. Wir wollen die verschiedenen Wege
durch die bessere Verzahnung von Schule und Beruf, durch Beratung und kluge
Übergangskonzepte von der Kita bis zur Berufs- oder Studienwahl unterstützen.
Oberschultage, Jobmessen, Hospitationen an Grundschulen und Tage der offenen Tür wollen
wir deshalb vernetzen und fördern.
Schulische Bildung wiederum endet nicht mit dem Kernunterricht. Projekttage, die Mitarbeit
in Schulgärten, in Schülerzeitungen, in Theatergruppen, der Instrumentalunterricht oder
diversen Arbeitsgemeinschaften tragen zur Entwicklung der Schüler*innen bei. Viele dieser
Angebote werden von Schüler*innen selbst oder aber von externen Personen, Vereinen und
Organisationen getragen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass entsprechende Initiativen
durch den Bezirk gezielt gefördert und Mittel – etwa in Form eines Ehrenamtsprogramms –
für das Engagement weiter bereitgestellt und ausgebaut werden.
Schule weiter zu denken, heißt auch, andere Bildungsmethoden und -orteauszuweiten. Wir
wollen die Stadtteilbibliotheken weiter stärken, deren digitale Angebote ausbauen und ihre
Vernetzung mit den Schulen intensivieren. Neukölln hat darüber hinaus mit der
Gartenarbeitsschule, dem Freilandlabor im Britzer Garten, dem Bezirksmuseum Neukölln, der
Volkshochschule und Musikschule Neukölln und vielen anderen Institutionen ein breites
Angebot außerschulischer Lernorte. Auch sie möchten wir erhalten und in ihrer
Weiterentwicklung durch den Bezirk unterstützen.
Sportplätze erneuern, Sport für Kinder und Jugendliche stärkenUm Sporthallen und -plätze
zu sanieren und diese gerade auch in den Schulen außerhalb der Unterrichtszeiten für
Freizeitaktivitäten zu öffnen, sind umfangreiche Investitionen notwendig. Wir möchten den
Neu- und Ausbau von Sportanlagen gezielt fördern, mit einem Fokus auf Sportarten, die
bisher mit Sportflächen im Bezirk unterversorgt sind. Der vereinsungebundene Sport soll
bei der Vergabe von Hallen- und Platzzeiten zukünftig stärker berücksichtigt werden.Das
Programm des Neuköllner Schwimmbären wird weitergeführt. Es soll allen Neuköllner Kindern
ermöglichen, das Schwimmen zu erlernen.
4.2. Neukölln bleibt divers, Neukölln hält zusammen
Diskriminierung beenden, Rechten Terror Bekämpfen
Für viele Menschen sind Diskriminierung und Rassismus – auch im Umgang mit den Berliner
Sicherheitsbehörden und der Verwaltung – Teil ihrer alltäglichen Erfahrungen. Wir fordern
die Einrichtung einer parlamentarischen Enquete-Kommission, die unter der Beteiligung
zivilgesellschaftlicher Akteur*innen diskriminierende Strukturen und Praktiken in den
Berliner Sicherheitsbehörden und der Verwaltung aufdeckt und geeignete Maßnahmen
entwickelt, um diese abzubauen. Dadurch soll auch das Vertrauen in die Verwaltung und die
Behörden wieder gestärkt werden. Uns ist es wichtig, explizit die Perspektiven und
Expertisen von Menschen, die von Racial Profiling betroffen sind (u.a. Schwarze Menschen,
türkei- und arabischstämmige Menschen, Sintize* und Romnja*), bei der Entwicklung und
Umsetzung von Maßnahmen einzubeziehen.
Neukölln ist seit Jahren von einer Rechten Terrorserie betroffen. Wir stehen solidarisch
an der Seite der Betroffenen. Der sogenannte „Neukölln Komplex“ ist bis heute nicht
zufriedenstellend aufgeklärt, das Vertrauen vieler Neuköllner*innen gegenüber den
Sicherheitsbehörden schwindet. Es ist ein Skandal, dass namentlich bekannte Tatverdächtige
jahrelang unbehelligt agieren konnten. Während durchschlagende Ermittlungsergebnisse
ausblieben, stellte sich zurecht die Frage, inwieweit die Sicherheitsbehörden in Teilen
selbst in den „Neukölln Komplex“ verwickelt sind. Wir begrüßen daher die Einsetzung der
Ermittlungsgruppe zur rechten Terrorserie in Neukölln und deren erste Ermittlungserfolge.
Zugleich schließen wir uns der Forderung der Betroffenen und zivilgesellschaftlicher
Bündnispartner*innen an: Es muss ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt
werden, der alle offenen Fragen kritisch durchleuchtet, die im Zuge der Terrorserie und
der Ermittlungen aufgekommen sind. Dabei möchten wir, dass der Untersuchungszeitraum Fälle
seit dem Jahr 2010 berücksichtigt und auch den bis heute nicht aufgeklärten Mord an Burak
Bektas sowie die offenen Fragen bezüglich des Mords an Luke Holland in den Blick nimmt.
Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rechts stärken
Rechtsextreme, rassistische, antisemitische, frauen- homo- und transfeindliche Übergriffe
sind in unserem Bezirk leider Teil des Alltags. Dem möchten wir uns systematisch und
weiterhin in einem breiten Bündnis entgegenstellen. Daher setzen wir uns für die
langfristige finanzielle und ideelle Förderung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen im
gesamten Bezirk ein und unterstützen antifaschistische Strukturen, die als Anlaufstelle
für Opfer rechter Gewalt tätig sind.
Im Süden Neukölln ist die rechte Szene nach wie vor aktiver und stärker sichtbar als im
Norden des Bezirks. Hier kommt es fortlaufend zu rechtsextremen Markierungen im
öffentlichen Raum. Die Neuköllner Registerstelle möchten wir dabei unterstützen, die
Vernetzung im Süden Neuköllns auszubauen und lokale antifaschistische Bündnisse zu
stärken.
Im Bezirksamt möchten wir die Stelle der*s Beauftragten für Fragen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit einrichten. Die*der Beauftragte soll hauptamtlich unter anderem den
regelmäßigen Austausch zwischen den zuständigen Abteilungen des Bezirksamts und
zivilgesellschaftlichen Akteur*innen sicherstellen. Insbesondere die Bezirksverwaltung
profitiert vom Wissensaustausch mit den (lokal verankerten) Initiativen.
Fraueninfrastruktur im gesamten Bezirk stärken
Zivilgesellschaftlich getragene Frauenprojekte sind in Neukölln geographisch gesehen
ungleich verteilt. Im Süden unseres Bezirks gibt es keine ausreichende Infrastruktur für
Frauen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Mittel bereitgestellt werden, um den Aufbau
von Frauenprojekten und -angeboten – etwa in Arbeits-, Bildungs- oder Gesundheitsfragen –
zu ermöglichen.
Darüber hinaus möchten wir die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit mehr Ressourcen
ausstatten. Zur Förderung von Frauen- und Mädchensport sollen regelmäßige Sportfeste im
ganzen Bezirk stattfinden. Darüber hinaus werden wir uns dafür einsetzen, dass bei der
Vergabe von Zeiten auf Sportanlagen/-hallen Vereine mit einem hohen Anteil von Frauen*
unter den aktiven Sportler*innen besonders berücksichtigt werden.
Erinnerungskultur im (post-)migrantischen Bezirk
Unsere vielfältige Bezirksgesellschaft spiegelt sich derzeit noch kaum in der
Erinnerungsarbeit wider. Wir möchten den (post-)migrantischen Communities, Schwarzen
Menschen und People of Color im öffentlichen Raum und in den bezirklichen Kultur- und
Bildungsinstitutionen mehr Platz einräumen. Unter ihrer Beteiligung soll ein erinnerungs-
und bildungspolitisches Konzept erarbeitet werden, um die vielfältige(n) Geschichte(n)
unseres Bezirks und seiner Einwohner*innen in den Bezirksmuseen und -bibliotheken, in der
Volkshochschule und in Geschichtswerkstätten sicherzustellen.
Die Dekolonisierung des öffentlichen Raums und die kritische Aufarbeitung der
Kolonialvergangenheit werden wir weiter vorantreiben. Wir fordern die Neugestaltung des
kolonialhistorischen Gedenkensembles auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm und
möchten, dass das Bezirksmuseum Neukölln kolonialismuskritische Museumsprojekte durchführt
und dafür Mittel aus dem Landeshaushalt einwirbt.
Seit diesem Jahr gibt es in Neukölln die Lucy-Lameck-Straße, die an eine antikoloniale
tansanische Aktivistin und Politikerin erinnert. Wir Grüne haben die Umbenennung gemeinsam
mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und der Bezirksgesellschaft durchgesetzt und damit
die 130 Jahre währende öffentliche Ehrung eines Kolonialverbrechers an gleicher Stelle
beendet. Die kritisch einordnende Informationstafel, die wir Grüne in dieser Wahlperiode
in der Woermannkehre durchsetzen konnten, kann nur der Anfang eines Erinnerungsprozesses
sein, an dessen Ende die Umbenennung der Straße steht. Wir werden uns darüber hinaus dafür
einsetzen, dass weitere kritische Straßenbenennungen in Neukölln systematisch erfasst
werden und (Um-)Benennungen von Straßen zukünftig grundsätzlich zugunsten von Gruppen
erfolgen, deren Gedenken im öffentlichen Raum immer noch unterrepräsentiert sind: Frauen*,
Schwarze Menschen und People of Color.
Gewalt gegen Frauen und LSBTIQ* bekämpfen
Gewalt gegen Frauen und LSBTIQ* im öffentlichen Raum treten wir entschieden entgegen. Alle
Neuköllner*innen müssen sich im öffentlichen Raum sicher fühlen können. Um Angsträume zu
verhindern, werden wir daher die (Straßen-)Beleuchtung an Wegen verbessern, an denen dies
nötig ist. Um systematisch gegen Gewalt vorzugehen, werden wir uns überdies für die
Einrichtung eines regelmäßigen „Runden Tischs“ einsetzen. An diesem sollen, neben dem
Bezirksamt, die LSBTIQ*-Ansprechpersonen der Polizei und zivilgesellschaftliche Projekte
mit Expertisen zu queerfeindlicher und sexistischer Gewalt im Bezirk teilnehmen.
Intersektionale Perspektiven sollen bei der Besetzung sichergestellt werden. Darüber
hinaus möchten wir eine Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen und LSBTIQ* nach dem Vorbild
der Aktion „Sicherheit-Geborgenheit-Neukölln“ initiieren, um für das Problem zu
sensibilisieren und den Dialog weiter zu fördern. Wir treten für den Schutz Neuköllns
queerer Orte ein. Sie sind Safer Spaces und Magnete für unterschiedlichste Communities.
Wir schätzen ihr leidenschaftliches Engagement für LSBTIQ* ebenso wie für ihre
Nachbarschaft.
Gewalt gegen Frauen und Kinder findet nicht „nur“ im öffentlichen Raum, sondern vor allem
auch im Privaten statt. Im Zuge der Pandemie sind die Gewaltvorfälle noch einmal in einem
erschreckenden Maße gestiegen. Menschen, die davon betroffen sind, wissen oft nicht, wo
sie Hilfe bekommen können. Wir wollen daher in Neukölln eine (mehrsprachige) Kampagne auf
den Weg bringen, die Informationen über Anlaufstellen gebündelt zugänglich macht. Die
Informationen sollen vor allem an Orten angeboten werden an denen potentielle betroffene
Personen diese in einem geschützten Kontext lesen können. Bestehende Erstanlaufstellen,
die Betroffenen von häuslicher Gewalt zur Verfügung stehen, wollen wir um ein
mehrsprachiges Angebot ausbauen.
Teilhabe und Sichtbarkeit der Neuköllner LSBTIQ*-Community erhöhen
Neukölln hat seit langem eine vielfältige queere Community, über deren Geschichte bis
heute viel zu wenig bekannt ist. Wir möchten dies ändern. Wir setzen uns dafür ein, dass
die umfangreiche queere Geschichte unseres Bezirks unter Beteiligung der lokalen LSBTIQ*-
Communities in einem Museumsprojekt aufgearbeitet und der Bezirksgesellschaft zugänglich
gemacht wird. Daneben soll es ein bildungspolitisches Begleitprogramm geben, in dessen
Fokus das gegenwärtige queere Neukölln steht.
Die LSBTIQ*-Community in Neukölln wächst. Wir werden im Bezirksamt die Stelle der*des
Queer-Beauftragten einrichten, um den vielfältigen Anliegen gerecht zu werden. Die*der
Ansprechpartner*in wird die Sichtbarkeit der Community erhöhen, deren Teilhabechancen
erhöhen, die Umsetzung der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz
geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ vorantreiben sowie gegen homo- und
transfeindliche Gewalt im Bezirk vorgehen.
Kulturelle Vielfalt und Freiräume retten
Die vielen Kulturschaffenden und Kulturinstitutionen Neuköllns prägen das Bild und das
gesellschaftliche Leben unseres Bezirks. Wir Grüne möchten, dass die über viele Jahre
gewachsenen Strukturen und zunehmend bedrohten freien Festivals und Netzwerke gestützt
werden. Dazu gehören nicht nur das bekannte „48 Stunden Neukölln“, sondern auch die „Art
Spaces Neukölln“, die "Offenen Ateliers Neukölln“ oder Projekte wie „Herdelezi“, das sich
als Statement gegen Antiziganismus in Neukölln etabliert hat. Wir setzen uns für eine
finanzielle Sicherung dieser für Neukölln so wichtigen und äußerst lebendigen Szene ein.
Kunst, Soziales, Raum und Stadt sollen zusammen gedacht und gestaltet werden – wir wollen
dafür das zukunftsweisende Konzept der „Urbanen Praxis“ aufgreifen und dadurch mehr
Formate im öffentlichen Raum ermöglichen. Um den vielfältigen kulturpolitischen Aufgaben
im Bezirk und den unterschiedlichen Akteur*innen gerecht zu werden, möchten wir einen
Kulturbeirat etablieren. In diesem sollen Vertreter*innen der Freien Szene und der
bezirklichen Kulturinstitutionen sitzen. Der Beirat soll das Kulturamt in allen Fragen der
kulturellen Entwicklung, von der Raumnutzung und -erschließung über die Projektentwicklung
und -förderung bis hin zur Förderpolitik und Mittelvergabe beraten und begleiten.
Wir brauchen ein öffentliches, besser sichtbares, gut ausgestattetes sowie in Teilen auch
(digitales) Kulturangebot in allen Ortsteilen Neuköllns. Insbesondere in Buckow und in der
Weißen Siedlung sollen niedrigschwellige, inklusive und aufsuchende Programme entwickelt
werden, damit die Bewohner*innen besser an das vielfältige Kulturleben Neuköllns
angebunden sind.
Auch die kulturelle Bildung muss gestärkt werden, denn ohne Musikschule keine (Neuköllner)
Oper! Bezirksbibliotheken, Volkshochschule, kommunale Galerien, Jugendkunstschulen (Young
Arts NK) und das Gemeinschaftshaus Gropiusstadt bieten ein unverzichtbares und für alle
zugängliches Angebot. Diese Kultur- und Bildungseinrichtungen spielen eine zentrale Rolle,
um kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe sicherzustellen. Deshalb werden wir uns dafür
einsetzen, dass sie ausreichend ausgestattet sind und eine größere Sichtbarkeit erhalten.
Wir möchten sie dabei unterstützen, ihre Angebote auszubauen und diversitäts- und
kultursensibel weiterzuentwickeln. Gegenüber der Landesebene werden wir uns zudem dafür
einsetzen, dass die bezirklichen Mittel für kulturelle Bildung erhöht werden. Zukünftig
sollen auch selbstorganisierte Projekte von Kindern und Jugendlichen aus diesen Mitteln
gefördert werden können.
Sei es das Schloss und Gutshof Britz und das Gemeinschafshaus Gropiusstadt als zentrale
Veranstaltungsorte im Süden Neuköllns oder die ehemalige Werkstatt der Kulturen ganz am
Nordzipfel des Bezirks: Neuköllns Kultureinrichtungen möchten wir stärken und in ihrer
Weiterentwicklung unterstützen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es eine
zeitgenössische und diversitätsorientierte Weiterentwicklung dieser Orte gibt und am
Kulturstandort in der Lucy-Lameck-Straße wieder eine lokal verwurzelte Institution mit
gesamtstädtischer Bedeutung entsteht, die einen postkolonialen und (post-)migrantischen
Schwerpunkt hat.
Des Weiteren müssen öffentliche Liegenschaften stärker und auch vielfältiger für
kulturelle Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Die Freilichtsbühne im Gutshof Britz ist
seit Jahren ebenso fast ungenutzt wie die auf dem Kulturbunker in der Rungiusstraße. Wir
wollen diese Orte weiterentwickeln und auch darüber hinaus die Nutzung von bezirklichen
Räumen für kulturelle Angebote ermöglichen und vereinfachen.
Ganz egal ob Schwuz, Sameheads oder Schrippe Hawaii: Diese und andere Clubstandorte sind
Freiräume, die unseren Bezirk prägen. Sie tragen dazu bei, dass Neukölln divers, kreativ
und interessant ist. Um etwaige nachbarschaftliche Konflikte zu lösen, haben wir auf
Landesebene einen Lärmschutzfond etabliert, mit Hilfe dessen lärmdämmende Maßnahmen
finanziert werden können. Wir haben uns zudem dafür eingesetzt, dass Clubkultur in Berlin
nun auch formal als Kultur anerkannt ist. Heute benötigen Clubs mehr als je zuvor, unsere
Unterstützung, denn die Pandemie ist für viele von ihnen existenziell gefährdend. Rot-Rot-
Grün hat mit der Soforthilfe IV extra für diese Kreativszene einen Hilfstopf eingerichtet.
Für uns ist klar: Es wird weitere Hilfen brauchen. Wir werden uns daher auch weiterhin für
Lösungen einsetzen, um die vielfältigeClubkultur in Neukölln am Leben zu erhalten.
4.3. Selbstbestimmt und gesund leben
Den öffentlichen Gesundheitsdienst besser aufstellen
Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie wichtig ein gut ausgestatteter und
funktionierender öffentlicher Gesundheitsdienst (ÖGD) ist. Wir werden uns für eine
Überarbeitung der Pandemieplanung des Landes Berlin sowie der Konzeption der
Mustergesundheitsämter einsetzen, um aus der Corona-Pandemie die nötigen Lehren zu
ziehen.In Neukölln sind aber im ÖGD unabhängig davon an zwei Stellen Verbesserungen
notwendig, für die wir Grüne uns einsetzen: Bei der Personalausstattung und bei der
Digitalisierung.
Das bezirkliche Gesundheitsamt hat es zuletzt nicht geschafft, alle Stellen zu besetzen.
Um die Attraktivität der Arbeitsplätze kurzfristig zu steigern, wollen wir die Möglichkeit
der Zahlung außertariflicher Zulagen in den medizinischen Berufsgruppen konsequent nutzen.
Bei der für Finanzen zuständigen Senatsverwaltung werden wir uns für eine Erleichterung
des Verfahrens einsetzen. Um langfristige Verbesserungen zu erreichen, werden wir uns beim
Land Berlin dafür einsetzen, dass die Stellen des ÖGD im Rahmen des Tarifvertrags der
Länder höher eingruppiert werden.
Die Digitalisierung der Infrastruktur des ÖGD soll mit einem berlinweiten Konzept
vorangetrieben werden, um ein standardisiertes System sicherzustellen. Das Neuköllner
Bezirksamt soll sich in dessen Konzeption, u.a. mit den Erfahrungen beim Einsatz digitaler
Meldesysteme in der Corona-Pandemie, einbringen.
Stärkung der gesundheitlichen Versorgung
Das Vivantes-Klinikum Neukölln ist ein wichtiger Anker der gesundheitlichen Versorgung
Neuköllns. Wir freuen uns daher, dass die rot-rot-grüne Landesregierung die Modernisierung
sowie den Ausbau des Krankenhauses ermöglicht und dafür die enorme Summe von 164 Millionen
Euro bereitgestellt hat. Wir begrüßen überdies die Einrichtung der Notdienstpraxen für
Kinder und Erwachsene am Vivantes-Klinikum Neukölln. Diese tragen zur Entlastung der
Rettungsstelle bei und leisten zugleich ein Beitrag zur intersektoralen und damit
umfassenden Versorgung.
Die ambulante ärztliche Versorgung weist in Neukölln jedoch weiterhin eine starke
Unterversorgung in zu vielen Bereichen auf. So fehlt es im Bezirk etwa an
Kinderärzt*innen, Frauenärzt*innen oder Psychotherapeut*innen. Wir begrüßen zwar die von
der „Kassenärztlichen Vereinigung Berlin“ im Jahr 2020 angekündigten Ansiedlungszuschüsse
für unterversorgte Bezirke, diese alleine werden aber nicht genügen, um eine bessere
räumliche Verteilung der ambulanten Praxen sicherzustellen. Wir möchten daher, dass die
bezirkliche Perspektive stärkeren Eingang im zuständigen Landesgremium erhält,
insbesondere bezüglich der konkreten Bedarfsplanung, der Entscheidungsprozesse des
Zulassungsausschusses und bei der Beratung und Betreuung niederlassungswilliger
Ärzt*innen. Wir wollen überdies eine systematische bezirkliche Bedarfsplanung, die die
tatsächlichen Gesundheitsbedürfnisse der Neuköllner*innen ermittelt. Diese soll auch die
Versorgungsbedarfe geflüchteter Menschen berücksichtigen und diese damit weiter
verbessern. Schon jetzt können sich Menschen ohne gültigen „Aufenthaltstitel“ mit einem
anonymen Krankenschein behandeln lassen. Damit ist Berlin das einzige Bundesland, in dem
der Zugang zur hausärztlichen Versorgung so umfassend möglich ist.
Wir möchten die sozialraumorientierte Gesundheitsversorgung stärken, die eine
niedrigschwellige ärztliche Versorgung mit sozialen Beratungsangeboten kombiniert und eine
Vernetzung in die sozialräumlichen Strukturen und Netzwerke der umliegenden Kieze
sicherstellt. Damit knüpfen wir an die Arbeit der letzten Jahre an: So bietet der neue und
bislang einzigartige „Checkpoint BLN“ am Hermannplatz unter einem Dach niedrigschwellig
Beratung, Prävention (u. a. HIV-PrEP), Tests und Behandlung rund um die sexuelle
Gesundheit, insbesondere zu HIV/AIDS.
Dabei werden wir uns sowohl für tragfähige Kooperationen des Bezirksamts mit bestehenden
lokal handelnden Gesundheitsprojekten einsetzen – etwa mit dem entstehenden
Stadtteilgesundheitszentrum des „Gesundheitskollektiv Berlin“ im Rollbergkiez – als auch
die bezirklichen Planungen für ein Familiengesundheitszentrum weiter vorantreiben.
Wir möchten allen Menschen den gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem
ermöglichen. Insbesondere Schwarze Menschen, People of Color, Menschen mit
Migrationsgeschichte und Geflüchtete sollen eine bessere gesundheitliche Versorgung
erhalten. Auch für alleinlebende Senior*innen oder Menschen, die von verschiedenen
Erkrankungen gleichzeitig betroffen sind, möchten wir die Gesundheitsberatung verbessern.
Daher werden wir uns beim Land Berlin für die Finanzierung eines mehrsprachigen
Gesundheitslots*innen-Pilotprojekts einsetzen. Dieses soll insbesondere den genannten
Personengruppen Orientierung im Gesundheitssystem geben, über in Frage kommende Angebote
informieren, sie bei der Beantragung zur Inanspruchnahme dieser Leistungen unterstützen
sowie Präventionsangebote vermitteln.
Pflegeangebote bedarfsgerecht und diversitätssensibel ausbauen
Wir Grüne möchten, dass pflegebedürfte Menschen und deren Angehörige Angebote erhalten,
die ihren Bedarfen und Lebenssituationen entsprechen. Wir setzen uns daher dafür ein, dass
der Bezirk alle vier Jahre eine verbindliche Planung für die Weiterentwicklung der
ambulanten, voll- und teilstationären Pflege- und Beratungsangebote sowie der
palliativmedizinischen Angebote und der Hospizstrukturen erstellt. Um die realen Bedarfe
zielgruppengerecht abzubilden, sollen Senior*innenvertretungen,
Migrant*innenselbstorganisationen, Betroffeneninitiativen sowie Vertreter*innen von
Stadtteilgruppen und der queeren Community aktiv an der Planung beteiligt werden.
Wir werden uns für die diversitätssensible Öffnung bereits bestehender Pflegeangebote und
Angebote der Sterbebegleitung sowie die Schaffung weiterer Einrichtungen einsetzen, um der
wachsenden Zahl an Senior*innen of Color und Pflegebedürftigen mit Migrationsgeschichte
Rechnung zu tragen. Dazu zählt der Ausbau von diversitätssensiblen Beratungs- und
Betreuungsangeboten, die Stärkung der Pflegestützpunkte, die Bekanntmachung bestehender
Selbsthilfeangebote und die mehrsprachige Informationsvermittlung. Für Patient*innen mit
Demenzerkrankungen benötigen wir überdies spezielle Einrichtungen mit dafür geeigneter
Ausstattung und entsprechend ausgebildetem Personal.
Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Wir Grüne möchten Barrieren abbauen, damit alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen
können. Daher haben wir in Neukölln dafür gearbeitet, dass die notwendigen Strukturen im
Bezirksamt aufgebaut werden, um das Bundesteilhabegesetz und die UN-
Behindertenrechtskonvention umzusetzen. In der kommenden Wahlperiode wird es darauf
ankommen, den Paradigmenwechsel von „Fürsorge” hin zu „Teilhabe” tatsächlich zu vollziehen
und eine sozialräumliche Betrachtung zu etablieren. Den dafür notwendigen Personalbedarf
werden wir fortlaufend überprüfen und für Mitarbeiter*innen des Bezirksamts entsprechende
Schulungsmaßnahmen anbieten.
Kieze und Drogenkonsument*innen nicht alleine lassen
In Jahr 2019 wurde in der Karl-Marx-Straße der erste Drogenkonsumraum in Neukölln
eingerichtet und damit eine langjährige Grüne Forderung umgesetzt. Abhängige Personen
haben dort die Möglichkeit, unter hygienischen Bedingungen Drogen zu konsumieren und mit
geschulten Ansprechpartner*innen vertrauensvolle Beratungsgespräche zu führen. Zugleich
wird der Kiez, dessen Bewohner*innen und Gewerbetreibende, erheblich entlastet, wenn
Drogen nicht mehr auf der Straße, auf Spielplätzen oder in Bahnhöfen konsumiert werden.
Wir möchten die Öffnungszeiten deutlich erweitern, um mehr Menschen zu erreichen und
insbesondere obdachlosen Konsument*innen den Zugang und die Nutzung von Konsumräumen zu
erleichtern, etwa indem wir Konsument*innen ermöglichen, die Räume zu nutzen, ohne sich
vorher zu registrieren. Aufgrund des großen Bedarfs setzen wir uns zukünftig für den
Aufbau eines zweiten, niedrigschwellig und bürokratiearm erreichbaren Drogenkonsumraums im
Bezirk ein.
Um der häufig sattfindenden örtlichen Verlagerung des Drogenkonsums – zuletzt etwa nach
Britz – zu begegnen, halten wir zusätzliche flexible Angebote wie Drogenkonsummobile und
Straßensozialarbeit für notwendig. Den Einsatz des Drogenkonsummobils wollen wir in
Neukölln dauerhaft sichern. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass es – anders als zuletzt –
seinen Standort ohne großen bürokratischen Aufwand wechseln kann – etwa in Form fest
vereinbarter Einsatzorte, um an den Konsumschwerpunkten aktiv sein zu können.
Die Straßensozialarbeit werden wir ergänzen. Mit zusätzlichen, sprachlich differenzierten
Angeboten möchten wir insbesondere Konsument*innen mit Migrationsgeschichte ansprechen,
die von den bestehenden Hilfsangeboten nicht erreicht werden oder Konsum- und
Beratungsräume meiden, weil sie strafrechtliche Verfolgung fürchten.
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