Veranstaltung: | Wahlprogramm-Mitgliederversammlung |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.04.2021, 20:49 |
Antragshistorie: | Version 1 |
2. Den öffentlichen Raum neu aufteilen
Text
2. Den öffentlichen Raum neu aufteilen
Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, dass alle Menschen in Neukölln gesund und gut leben und
sich klimagerecht, sicher und bequem fortbewegen können. Denn die Kieze sind unsere
Lebensmittelpunkte. Hier wohnen, lernen und arbeiten wir, kaufen wir ein, bewegen uns fort
und verbringen unsere Freizeit. Die jahrzehntelange Bevorzugung des Autoverkehrs werden
wir beenden. Sie führte zu verstopften Straßen und Lärm, belastet die Luft und das Klima,
verstellt den öffentlichen Raum in unseren Kiezen und gefährdet Fußgänger*innen und
Radfahrer*innen.
Unser Anspruch ist, den öffentlichen Raum völlig neu und gerechter zu verteilen. Wir
wollen ein Neukölln, das zum privaten Autoverkehr attraktive Alternativen bereit stellt.
Das beginnt damit Fuß- und Radwege, den ÖPNV und Sharing-Modelle zu stärken, den
Durchgangsverkehr aus den Nebenstraßen zu holen und eine konsequente
Parkraumbewirtschaftung einzuführen, um den Parksuchverkehr zu verringern. Mit der
Einrichtung von Kiezblocks und der Umwandlung von Parkplätzen wollen wir die Kieze
lebenswerter gestalten und für mehr Flächengerechtigkeit sorgen. Eine neue Aufteilung des
Raums heißt auch mehr Sicherheit für alle Beteiligten. Unser Ziel ist die „Vision Zero“.
Wir nehmen es nicht hin, dass Menschen im Straßenverkehr immer wieder verletzt werden oder
gar zu Tode kommen. Darum werden wir Kreuzungen umbauen, Knotenpunkte neu gestalten und
sicheren Verkehr für alle möglich machen.
Die Reduzierung des Autoverkehrs hängt unmittelbar zusammen mit dem Ausbau von Bus und
Bahn. Die U7-Verlängerung nach Schönefeld hat die GRÜNE Verkehrssenatorin Regine Günther
bereits angestoßen. Wir wollen darüber hinaus Tramlinien ausbauen, sowohl im Norden zum
Hermannplatz als auch in den Süden Neuköllns. Und gerade im Süden wollen wir den Takt der
Busfolgen weiter verdichten, so dass sich alle sicher sein können: Der Bus kommt und er
kommt schnell.
Zudem möchten wir das bestehende Netz durch flexible Kleinbusse und Ruf-Angebote ergänzen,
und das Angebot an Busverbindungen ins Umland verbessern. Wir setzen uns auch für eine
bessere Abstimmung der Verkehrsplanung mit den Umlandgemeinden ein.
Einen Schwerpunkt unserer Arbeit werden wir auf den Ausbau der Radinfrastruktur legen.
Dies gilt für weitere Protected Bike Lanes, für Fahrradstraßen und für Radschnellwege, die
Rudow, Buckow und Britz mit dem Norden des Bezirks und dem Zentrum Berlins verbinden.
Daneben gilt es, das bestehende Radwegenetz im ganzen Bezirk konsequent zu sanieren und
auszubauen. Wir wollen attraktive und sichere Radwege in ganz Neukölln!
Wir haben die Chance, Neukölln neu zu denken – mit weniger Abgasen, mehr Platz und einer
neuen Lebensqualität für alle.
Schlüsselprojekte:
- Weniger Autos, mehr Platz für alle - Kiezblocks einführen
Wir wollen den Durchgangsverkehr aus den Kiezen heraushalten, Parkplätze reduzieren,
Spiel- und Begegnungsflächen und mehr Grün schaffen. Dazu wollen wir “Kiezblocks”
einführen – mit Diagonalsperren oder Filtern, die keine Autos aber Fahrräder und
Fußgänger*innen durchlassen, werden geeignete Plätze und Straßen zu komplett
autofreien Orten der Begegnung. Wir wollen dabei mit dem Schiller-, dem Richard- und
dem Reuterkiez beginnen und das Konzept schrittweise auf weitere Kieze ausweiten.
Lieferverkehr wollen wir reduzieren, etwa durch die Bündelung von Paketsendungen
über so genannte „Microdepots und City-Hubs"
- Neukölln wird Vorreiter für Radverkehr und Fußgänger*innen
Wir wollen mehr Raum und gute Infrastruktur für Radverkehr und Fußgänger*innen. Den
Umbau haben wir begonnen, jetzt müssen wir schneller werden: Mit mehr Fahrradstraßen
in den Kiezen, dem Ausbau geschützter Radwege an den Hauptstraßen und einem
Radschnellweg vom Tempelhofer Feld bis nach Rudow (Y-Trasse). An S+U-Bahnstationen
wollen wir Fahrradparkhäuser einrichten, beginnend am U-Bahnhof Rudow und entlang
des S-Bahn-Rings. Den Fußverkehr werden wir systematisch in der Verkehrsplanung
verankern. Ziel sind breite, sichere, barrierefreie, gut ausgeleuchtete und direkte
Wege. Kreuzungen und Überwege machen wir durch Sichtbeziehungen und bauliche
Maßnahmen sicherer. Mehr Barrierefreiheit wollen wir mit Bordsteinabsenkungen und
taktilen Leitsystemen erreichen.
- Bus- und Bahn-Angebot ausbauen
Wir stehen für den Ausbau von Bus und Bahn. Auf Landesebene haben wir dazu bereits
riesige Schritte gemacht und weitere vorbereitet. Wir unterstützen die geplante
Verlängerung der U7 nach Schönefeld. Wir wollen die Tram zurück nach Neukölln holen,
beginnend mit der Verlängerung der M10 von der Warschauer Brücke zum Hermannplatz.
Perspektivisch wollen wir die Sonnenallee Richtung Süden sowie auch von Schöneweide
aus den Süden des Bezirks anbinden. Und wir wollen die Bustaktung gerade im Süden
Neuköllns stark ausbauen.
2.1 Die Kieze den Menschen, nicht den Motoren
Reclaim the Streets - Erobern wir die Straßen!
Die Pandemie hat gezeigt, wie notwendig und wertvoll Freiräume sind – gerade im dicht
besiedelten Norden Neuköllns. Durch die Wohnungsnot wachsen viele Kinder in extrem
beengten Verhältnissen auf und sind auf öffentliche Räume besonders angewiesen. Mit
Kiezblocks wollen wir GRÜNE Durchgangsverkehr aus den Kiezen heraushalten, Parkplätze
reduzieren, Spiel- und Begegnungsflächen ausbauen und mehr Grün schaffen. Dabei
orientieren wir uns am Vorbild sogenannter „Superblocks“ in anderen europäischen Städten
wie z.B. in Barcelona. Einzelne Plätze und Straßen werden zu komplett autofreien Orten der
Begegnung. Der freigewordene Raum wird gemeinsam mit den Anwohner*innen, Kitas, Schulen,
Gewerbetreibenden, Kiezinstitutionen und Quartiersmanagements z.B. in
Bürger*innenversammlungen neu gestaltet. Um die Interessen und Bedarfe der diversen
Bezirksgesellschaft im Zuge der Neugestaltung zu berücksichtigen, möchten wir GRÜNE eine
Erhebung zur Nutzung des öffentlichen Raums mit Fokus auf Vielfaltskriterien durchführen.
In Teilen Neuköllns sind wir GRÜNE in den vergangenen Jahren bereits den Schritt von der
Verkehrsberuhigung zu autoreduzierten bzw. autofreien Bereichen gegangen. Das von uns mit
initiierte Verkehrskonzept im Richardkiez führte zur autofreien Umgestaltung des
Böhmischen Platzes, der dadurch zu einem neuen Begegnungsort geworden ist. Das wollen wir
fortsetzen und neben zusätzlicher Verkehrsberuhigung auch weitere Straßen und Plätze, wie
den Karl-Marx-Platz mit seinem Wochenmarkt, autofrei umgestalten. Diese Beispiele zeigen,
dass es geht und der Umbau der Stadt begonnen hat. In den kommenden Jahren wollen wir an
Tempo zulegen und mutigere Schritte gehen, um Durchgangsverkehr aus den Kiezen
rauszuhalten und öffentlichen Raum neu zu verteilen. Daher haben wir uns bereits in der
BVV für erste Kiezblocks im Schiller- und Richardkiez eingesetzt. In diesen beiden Kiezen
und im Reuterkiez wollen wir nach der Wahl mit der Einrichtung von Kiezblocks beginnen und
das Konzept schrittweise auf weitere Kieze ausweiten.
Mehr Flächengerechtigkeit! Autos in die Schranken weisen
Parkende Fahrzeuge verstellen in ganz Neukölln den öffentlichen Raum. Dennoch können die
Menschen, die wirklich einen Parkplatz brauchen, oftmals keinen bekommen. Allein die
Parkplatzsuche macht in Berlin 20-30 Prozent des Gesamtverkehrs aus. Das kostet Nerven und
verursacht Lärm und Abgase. Für Radfahrende können Zweite-Reihe-Parker*innen
lebensgefährlich sein, vor allem wenn Radler*innen deswegen eine Radspur verlassen müssen.
Um diese Probleme zu beheben setzen wir GRÜNE uns seit Jahren in der Bezirksverordneten
versammlung für Parkraumbewirtschaftung ein. Denn das ist ein wichtiger Schritt, um den
Parkdruck zu senken, unnötigen Parksuchverkehr zu vermeiden und Falschparker*innen stärker
zu kontrollieren. Durch eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung werden Besucher*innen
angeregt, auf Fahrrad und ÖPNV zu setzen. Das ist gut für die Umwelt und gut für die
Menschen. Anwohner*innen können mit einem Parkausweis sicher in deklarierten Zonen parken
– alle anderen müssen zum Parken ein Ticket lösen. Für die Durchführung von Kontrollen in
Parkraumbewirtschaftungszonen wollen wir das Ordnungsamt mit mehr Personal ausstatten.
An den Kiezen wollen wir GRÜNE sogenannte Mobility Hubs einrichten, an denen verschiedene
Mobilitätsangebote zusammenkommen, zwischen denen man unkompliziert wechseln kann: Laufen,
Radfahren, Elektro-Mobilität vor allem als Teil von Sharing-Angeboten und der öffentliche
Nahverkehr. Wir wollen Car-Sharing-Angebote auch in den Süden des Bezirks bringen. An der
Stadtgrenze sollen Park&Ride-Plätze Autopendler*innen aus dem Berliner Umland das
Umsteigen auf Bahn, Bus oder Fahrrad ermöglichen. Wir setzen uns deshalb für ausreichend
Fahrradabstellplätze, Fahrradparkhäuser oder überdachte Abstellflächen an allen S+U-
Bahnhöfen des Bezirks ein. Priorität haben dabei Standorte entlang des S-Bahn-Rings und am
U-Bahnhof Rudow, danach an allen weiteren U-Bahnhöfen.
Den Ausbau der A100 haben wir von Anfang an abgelehnt. Statt einer modernen Verkehrswende,
die Umwelt und Klima schützt und Lebensqualität erhöht, steht die damalige Entscheidung
von SPD und CDU für ein „Weiter so“ in der autogerechten Stadt der Vergangenheit. Mit der
Eröffnung des neuen Abschnittes werden auch auf Neukölln negative Begleiterscheinungen
durch zusätzlichen Verkehr, insbesondere an der Abfahrt Sonnenallee entstehen. Hier muss
durch ein durchdachtes Verkehrslenkungskonzept und konsequente Verhinderung von
Durchgangsverkehr die Belastung der anliegenden Kieze minimiert werden.
Der Rückbau der A100 ist für uns deshalb eine ernstzunehmende Option.
Gewerbeverkehr reduzieren - Alternative Lastentransportmittel fördern
Kurze Wege zu den Angeboten im Kiez sind auch Teil unserer Vision für die Verkehrswende.
Das gilt natürlich auch für den Gewerbe- und Lieferverkehr. Gerade in Nordneukölln
behindern Anlieferungen oft den Busverkehr, gefährden Radfahrende und Fußgänger*innen. Die
zumeist Diesel-betriebenen Fahrzeuge belasten zusätzlich die Luft und das Klima. Zudem
ersch wert der Bedarf an Parkplätzen die menschenfreundliche Umgestaltung des
Straßenraums. Wir GRÜNE wollen neue Ideen voranbringen, um den Lieferverkehr zu
reduzieren. So wollen wir Standorte für sog. Microdepots und City-Hubs prüfen – also
Umschlagplätze, auf denen Lieferungen für die Verteilung in Wohnviertel von großen
Lastwagen auf umweltfreundliche Lieferfahrzeugen (Lastenräder, Elektro-Kleintransporter
etc.) erfolgen können, denn die Neuorganisation des Lieferverkehrs wird ein
Schlüsselelement für die Verkehrswende sein. Konzepte wie „Kiezboten“ helfen dabei
Anlieferungen der unterschiedlichen Paketdienste lokal zu bündeln. Für eine bessere
zeitliche Verteilung des Lieferverkehrs wollen wir Lieferzeitenregelungen (z.B.
Nachtlieferungen), insbesondere für Supermärkte und Einkaufszentren, prüfen.
Die kommunale und kostenfreie Lastenrad-Flotte wollen wir weiter ausbauen. Quer durch alle
Kieze und Stadtteile sollen sie spontan sowie im Voraus buchbar sein. Zudem erarbeiten wir
eine Kampagne zur Sensibilisierung lokaler Gewerbetreibender in Neukölln und helfen ihnen,
an Fördermittel für eigene Lastenräder von Bund oder Land zu gelangen. Um die
Attraktivität des Angebots zu steigern, werden wir Parkbuchten und ausgewiesene Parkplätze
für sie schaffen.
Schließlich möchten wir das brachliegende Potential der Neuköllner Schienen- und
Wasserwege heben und mit Gewerbe- und Industriebetrieben an der verstärkten Nutzung als
Alternative für den Warenverkehr arbeiten. Vor diesem Hintergrund wollen wir den Umbau des
Neuköllner Hafens von Bezirksseite mit Blick auf das angrenzende Industriegebiet aktiv
begleiten.
Gesund und sicher durch den Straßenverkehr
Das ökologische und sozial gerechte Neukölln braucht die Verkehrswendemit klimagerechter
und gesunder Mobilität für alle Menschen. Motorisierter Straßenverkehr ist
Hauptverursacher für Luftverschmutzung und Lärmin der Stadt. Gerade an den Hauptstraßen
Neuköllns sind die Menschen besonders schwer betroffen. Die Verschmutzung der Luft und die
Lärmbelastung ist nicht zuletzt damit auch eine soziale Frage, denn hier wohnen besonders
häufig Menschen mit geringem Einkommen. Wir GRÜNE akzeptieren nicht, dass insbesondere sie
die enormen Belastungen für Gesundheit und Lebensqualität durch Feinstaub, Abgase und Lärm
belasten.
Dort wo wir nicht auf motorisierten Verkehr verzichten können, bevorzugen wir – vor allem
die gemeinschaftlich nutzbare – Elektromobilität, die deutlich leiser ist und weniger
Schadstoffe in der Stadt erzeugt. Wir sind uns bewusst, dass auch elektrische Autos
erhebliche Umweltbelastungen verursachen. Daher wollen wir GRÜNE die Zahl privater Autos
im Bezirk merklich reduzieren. Statt Autolärm und Abgasen entsteht somit mehr Platz und
Lebensqualität für alle. Zudem werden wir uns auf allen politischen Ebenen dafür
einsetzen, dass Tempo 30 leichter als Höchstgeschwindigkeit auf Hauptverkehrsstraßen
angeordnet werden kann. Tempo 30 verringert nicht nur Luftverschmutzungen und Lärm,
sondern langsameres Fahren hat auch positive Einflüsse auf die Verkehrssicherheit, indem
es etwa den Bremsweg verkürzt. Es erhöht die Lebensqualität, weil sich Fußgänger*innen-,
Rad- und Autofahrende angenehm und sicher die Straße teilen können. Für uns ist dabei
klar, dass es nur mit einem "Tempo 30"-Schild nicht getan ist, sondern ergänzend auch
bauliche Maßnahmen oder mehr Kontrollen eingesetzt werden.
Wir GRÜNE wollen die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden erhöhen. Unser erklärtes Ziel
ist die „Vision Zero“: Wir nehmen es nicht hin, dass Menschen im Straßenverkehr zu Schaden
kommen. In Neukölln kommt es an zahlreichen Kreuzungen und Knotenpunkten, wie bspw. dem
Hermannplatz, immer wieder zu Unfällen. Insbesondere für Radfahrende und Fußgänger*innen
endet dies oft tödlich. Beim Abbiegen und beim Unterschreiten des Sicherheitsabstandes
passieren die häufigsten Unfälle. Deshalb müssen Abbiegeassistenten für alle LKW
verpflichtend werden. Auf Landesebene wird dies bereits durch eine Initiative der GRÜNEN
vorangetrieben. Zudem hat es auch künftig dringende Priorität, Unfallschwerpunkte zügig zu
entschärfen.Hierfür notwendige bauliche Maßnahmen wollen wir GRÜNE frühzeitig planen,
transparent kommunizieren und schneller umsetzen. Dazu gehören die räumliche Trennung von
Kraftfahrzeugen und Fahrradverkehr sowie getrennte Grünphasen. Wo diese Trennung fehlt,
wollen wir uns bei den örtlichen Polizeiabschnitten für regelmäßige Kontrollen von
Überholabständen einsetzen.
Der ÖPNV ist ein wichtiger Baustein der Verkehrswende. Leider haben insbesondere Frauen,
von Rassismus, Antisemitismus oder LSBTIQ*-Feindlichkeit betroffene Personen, Menschen mit
Behinderung sowie ältere Menschen Angst oder Sicherheitsbedenken, nachts öffentliche
Verkehrsmittel sowie Teile des öffentlichen Raums zu nutzen. Wir nehmen diese Sorgen
ernst! Ihre Mobilität und Freiheit werden dadurch erheblich eingeschränkt. Darum werden
wir uns dafür einsetzen, dass der Bezirk unter Beteiligung der Zivilgesellschaft, ÖPNV-
Anbietenden, Initiativen und Quartiersmanagements Konzepte entwickeln, um Angsträume im
ÖPNV und auf den Straßen abzubauen. Hierzu zählen etwa Maßnahmen wie eine besseren
Beleuchtung von Straßen und im öffentlichen Raum sowie Ansprechpersonen im ÖPNV. Keine
geeignete Lösung ist die bloße Ausweitung von Videoüberwachung. Denn diese stärkt nicht
die tatsächliche Sicherheit Betroffener. Stattdessen greift sie erheblich in die
Selbstbestimmung und Privatsphäre aller Menschen ein. Vor allem Frauen, Kinder und ältere
Menschen, Menschen mit einer Behinderung und Menschen mit geringem Einkommen werden auch
bei einer vorwiegend auf den Autoverkehr ausgerichteten Verkehrsplanung ausgegrenzt. Darum
muss die Verkehrs- und Mobilitätssituation als Ganzes in Neukölln durch ein Gender- und
Vielfaltsmainstreaming analysiert werden. Was brauchen Menschen, die viele
aneinandergereihte Fußwege zurücklegen, die barrierefreie Strecken benötigen oder den ÖPNV
öfter nutzen? Welche Strecken müssen für Alltagsbedürfnisse bewältigt werden? Und in
welchem Zustand sind diese Wege? Welche Wege werden von Kindern und Jugendlichen als
Schulwege genutzt und bedürfen daher einer besonderen Sicherheit, um die Schwächsten im
Verkehr zu schützen? Im Rahmen einer Studie sollen Mobilitäts- und Verkehrsbedürfnisse
unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen geklärt sowie Verbesserung hinsichtlich
Streckenwegen, Infrastruktur und ihrer Wartung geprüft werden. Ziel ist es, die
Verkehrspolitik, -planung und -lenkung intersektional und feministisch auszurichten und
die Bedürfnisse der Neuköllner Bevölkerung unabhängig von der historisch gewachsenen
Bevorzugung des Autoverkehrs neu zu denken – insbesondere im Hinblick auf das Angebot für
Fuß-, Rad- und ÖPNV-Verkehr.
2.2. Klimagerecht und bequem unterwegs
Mehr Raum für sicheren Fußverkehr
In Berlin wird jeder dritte Weg zu Fuß zurückgelegt. Dies ist zweifelsohne die
klimafreundlichste Art sich fortzubewegen. Trotzdem bekommt der Fußverkehr in der
Verkehrsplanung oft zu wenig Aufmerksamkeit. Das muss sich ändern! Mit dem bundesweit
ersten Mobilitätsgesetz sind wir GRÜNE neue Wege gegangen und haben dabei für ganz Berlin
auch eine gute Grundlage für sicheren und barrierefreien Fußverkehr geschaffen. Doch die
Fußwege sind häufig in schlechtem Zustand und durch Gewerbe oder Baustellen gestört. Für
die Verwendung der Tiefbaumittel sollen entsprechend neue Prioritäten gesetzt werden. Wir
brauchen breite, barrierefreie, gut ausgeleuchtete, direkte und sichere Fußwege für alle!
Wir GRÜNE wollen ein barrierefreies und beschildertes bezirkliches Fußwegenetz unter
Beteiligung des neu einzurichtenden Fußverkehrs-Rat erarbeiten. Dieses Fußwegenetz soll
sich durch eine besonders fußverkehrsfreundliche Gestaltung und Ausstattung des
Straßenraums sowie eine hohe Aufenthaltsqualität auszeichnen und wird bei nötigen
baulichen Maßnahmen priorisiert.
Neukölln soll für alle Menschen zugänglich sein. Dabei nimmt der barrierefreie Fußverkehr
besondere Priorität ein. Bordsteine an Übergängen wollen wir GRÜNE generell absenken,
taktile Leitsysteme für Blinde und Sehbehinderte auf Gehwegen installieren,
Ampelschaltungen fußgänger*innenfreundlich gestalten.
Mit den Mitteln aus dem Gehweg-Sanierungsprogramm wollen wir Kreuzungen und Übergänge
konsequent umgestalten und den Umbau beschleunigen. So tragen wir auch zu sicheren
Schulwegen für die Jüngsten bei. Denn Verkehrssicherheit betrifft vor allem auch junge
Menschen - Kinder und Jugendliche, die selbständig und sicher zur Schule, zum Sportverein,
zu Freunden gelangen sollten. Schulwegsicherheit steht für uns deshalb im Fokus: Wir
wollen vor jeder Schule Tempo-30-Zonen, Halteverbotszonen und, wenn möglich, mindestens
einen Zebrastreifen einrichten. Ampelschaltungen sind so zu gestalten, dass auch Kindern
ein sicheres Überqueren der Straße ermöglicht wird.
An stark befahrenen Straßen wollen wir wo möglich zusätzliche geschützte Übergänge
(Zebrastreifen), Ampeln oder Mittelinseln einrichten, um die Straßenquerung für
Fußgänger*innen zu erleichtern. Außerdem beseitigen wir die Umwege des Fußverkehrs, die
zugunsten eines "flüssigen" Autoverkehrs erzwungen werden, z.B. den Zaun auf der
Hermannbrücke.
Die größten Gefahren für Fußgänger*innen entstehen immer noch in Kreuzungsbereichen,
gerade in Nebenstraßen ist eine barrierefreie Querung häufig nicht möglich.
Die Sicherheit von Kreuzungsbereichen wollen wir u.a. durch geeignete Querungshilfen wie
Gehwegvorstreckungen oder den Einsatz von Fahrradbügeln und Pollern erhöhen. Dabei stehen
neben der Verringerung der zu querenden Strecke, insbesondere die Verbesserung von
Sichtbeziehungen und die bauliche Unterbindung von „Eckenparken“ im Fokus.
Fußverkehr soll auch Erholung sein. Darum müssen wir die Aufenthaltsqualität verbessern,
für eine bessere Beleuchtung sorgen und Gehwege verbreitern. So können wir mehr Platz für
Fußgänger*innen, Rollstuhlnutzer*innen, Menschen mit Rollatoren und Kinderwagen schaffen.
Bessere Beleuchtung auf Gehwegen, unter Brücken und in Unterführungen verhindert
„Angsträume“. Schattenspendende (Obst-)Bäume, Bepflanzungen, Sitzbänke und
Trinkwasserspender erhöhen die Aufenthaltsqualität auf Straßen und Plätzen und ermuntern
zum Flanieren.
Schnell und emissionsfrei mit Bus und Bahn
Wir GRÜNE Neukölln fordern schon lange den Ausbau der U7 und freuen uns daher umso mehr
über die von der GRÜNEN Verkehrssenatorin Regine Günther geplante Verlängerung der Linie
nach Schönefeld und zum Flughafen BER. Dadurch kann die Verkehrsbelastung an der Rudower
Spinne reduziert und der der Buspendelverkehr zum Flughafen kanalisiert werden. Vor allem
bedeutet der U-Bahnausbau aber auch, dass bislang unzulänglich erschlossene Wohngebiete
eine bessere Anbindung an den ÖPNV erhalten. Den Anwohner*innen des Rudower Frauenviertels
und der Gemeinde Schönefeld wollen wir eine attraktive Alternative zum Auto bieten .
Dadurch werden Verkehrsströme entzerrt, die verkehrliche Anbindung der Anwohnenden
verbessert und weniger Verkehr, Stau, Emissionen und Lärm erzeugt. Die Strecke muss dabei
so klimaschonend und kostengünstig wie möglich ausgebaut werden.
Bei der Verkehrswende setzen wir GRÜNE auch auf den Ausbau der Tram an wichtigen
Verkehrsachsen im gesamten Bezirk. Sie sind schnell, zuverlässig, emissionsfrei und für
eine nachhaltige Mobilitätswende unverzichtbar. Moderne Tramsysteme sind zudem geräuscharm
und dadurch auch für Anwohnende gut erträglich. Wir setzen uns für den Ausbau der
Tramlinie M10 von der Warschauer Brückebis zum Hermannplatz über Pannierstraße und
Sonnenallee ein. Damit schaffen wir eine schnelle und zuverlässige Verbindung nach
Friedrichshain. Um den Hermannplatz als Aufenthaltsraum und für den Wochenmarkt zu
erhalten, soll die Endhaltestelle der M10 in der Urbanstraße liegen. Perspektivisch
möchten wir auch die Sonnenallee Richtung Süden durch Tramrouten entlasten sowie von
Schöneweide in die Gropiusstadt und über die Hermannstraße Britz und Buckow für die Tram
erschließen. Nach Ausbau der prioisierten Linien betrachten wir auch die Verlängerung der
Tram von Adlershof nach Rudow als wünschenswert.
Viele Neuköllner*innen nutzen Busse für ihre täglichen Wege. Wir GRÜNE haben uns mit
Erfolg für die ersten E-Busse eingesetzt. Doch auch im Busverkehr muss noch einiges
verbessert werden: Gerade im Berufsverkehr sind viele Busse oft überfüllt und unpünktlich.
Auch bedarf es gerade bei den Buslinien im Süden des Bezirks einer Taktverdichtung, auch
in den Randzeiten, um die Linien noch attraktiver zu machen. Dies gilt insbesondere für
die Buslinien wie M11/X11 und M44, die heute schon an der Kapazitätsgrenze operieren, und
daher zu Recht in die Bedarfsplanung für die Tram aufgenommen worden sind. Wir GRÜNE
setzen uns für eine engere Taktung und mehr Busspuren zur Erhöhung der Zuverlässigkeit,
sowie mehr Vorrangschaltungen an Ampeln ein. So fordern wir die Erweiterung der Busspur
des M41 zwischen Hermannplatz und S-Sonnenallee in beide Richtungen.
Wir setzen uns auch für eine Verbesserung des Angebots an Busverbindungen in die
Umlandgemeinden ein.
Auch nachts sollen Busse in ganz Neukölln ein attraktives, sicheres und zuverlässiges
Verkehrsmittel für alle Menschen werden. Nicht immer ist der klassische Bus die optimale
Lösung. Wir setzen uns deshalb für ein Pilotprojekt in Südneukölln ein, dass das
bestehende Netz auch in den weniger dicht besiedelten Ortsteilen durch flexible
Kleinbusse, Ruf-Angebote und Ridepooling-Angebote ergänzt.
Auch im ÖPNV muss die Barrierefreiheit erhöht werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass
der Zugang zum öffentlichen Nahverkehr, insbesondere zur U- und S-Bahn, über
funktionierende, sichere und saubere Aufzüge gesichert wird. Für blinde und sehbehinderte
Menschen müssen Leitsysteme an allen Haltestellen installiert und die Barrierefreiheit
insgesamt weiterentwickelt werden.
Mehr Platz und Sicherheit fürs Rad
An vielen Straßen Neuköllns hat sich durch uns GRÜNE die Situation für Radfahrende schon
verbessert. Im Norden Neuköllns entstanden mehrere neue Fahrradstraßen und der erste
Abschnitt einer „Protected Bike Lane“ entlang der Karl-Marx-Straße. Außerdem können
Fahrräder durch die Installation mehrerer tausend Fahrradbügel nun deutlich leichter und
sicherer geparkt werden und erstmals wurden Parkplätze auf der Straße durch
Fahrradabstellanlagen ersetzt.
Auch künftig wollen wir weitere Fahrradabstellanlagen schaffen und Parkplätze auf der
Straße in Fahrradstellflächen umwandeln, damit der Ausbau nicht zu Lasten des Raums für
den Fußverkehr geht. Wir setzen uns ein für ausreichend Fahrradabstellplätze an zentralen
Plätzen, sowie Fahrradparkhäuser oder überdachte Abstellflächen an den S+U-Bahnhöfen des
Bezirks. Priorität haben dabei Standorte entlang des S-Bahn-Rings und am U-Bahnhof Rudow,
danach an allen weiteren U-Bahnhöfen.
An vielen Hauptverkehrsstraßen sind die Radwege noch nicht baulich vom Autoverkehr
getrennt. Das wollen wir ändern: Gemeinsam mit dem Druck der Radinitiativen konnten wir
durchsetzen, dass der Bau einer eigenständigen Radverkehrsanlage in der Hermannstraße noch
2021 begonnen wird. In der nächsten Wahlperiode hat eine zügige Fertigstellung für uns
Priorität. Die im nördlichen Teil der Karl-Marx-Straße geschaffene Protected Bike Lane
wollen wir durch eine Verbesserung der Radverkehrsanlage im südlichen Abschnitt erweitern.
Auf dem Radstreifen parkenden Autos sagen wir den Kampf an. Für die Händler*innen wollen
wir dafür sorgen, dass die für den Lieferverkehr vorgesehen Parkplätze dafür auch wirklich
zur Verfügung stehen.
Auf der Sonnenallee wollen wir die Situation kurzfristig mit der Erweiterung der Busspuren
auf beide Richtungen vom Hermannplatz bis zum S-Bahn-Ring verbessern. Mittelfristig wollen
wir auch entlang der Sonnenallee geschützte Radverkehrsanlagen schaffen.
Die meisten Magistralen im Süden des Bezirks verfügen bereits über Radwege, die aber
Radfahrer*innen wegen mangelnder Breite und Qualität häufig nicht zur Nutzung einladen.
Wir GRÜNE wollen diese deshalb ausbauen und verbessern, überall wo möglich an den
Hauptstraßen zu geschützten Radstreifen.
Mit der Y-Trasse hat die Planungsphase für einen Radschnellweg begonnen, der Rudow, Buckow
und Britz mit der Innenstadt verbindet. Wir wollen deshalb in den nächsten Jahren den
Fokus auf die zentralen Ost-West-Querverbindungen zur geplanten Y-Trasse und die bessere
Anbindung an Zubringerwege und in die Wohngebiete legen . So soll z.B. an der
Stubenrauchstraße ein geschützter Radweg in beide Richtungen angelegt, an der
Johannisthaler Chaussee der Radweg auf der kompletten Länge ausgebaut und der temporäre
Radweg auf der Blaschkoallee in einen dauerhaften umgewandelt werden .
Aber auch abseits der Magistralen und Hauptradrouten fragen sich viel Radfahrende oft,
welche die beste Strecke von A nach B ist. Wir GRÜNE wollen darum das Radwegenetz auch im
Nebenstraßennetz Neuköllns erweitern und gezielt Lücken schließen. Dazu weisen wir neue
Fahrradstraßen, wie die Donau-, Krokus- und die Oderstraße, aus und erweitern die
Fahrradstraße auf der Weserstraße. Außerdem machen wir mit modalen Filtern und
Diagonalsperren den Weg für den Radverkehr frei. Wir machen das Radwegenetz sichtbar: Mit
mehr Schildern, farblichen Markierungen und digitalen Fahrradkarten. Nach jahrelangem
Drängen ist in Neukölln inzwischen endlich die Radroute 10 ausgeschildert. Das wollen wir
ausbauen. Radfahren wird damit attraktiver, wir können den Radverkehr besser steuern und
(auch ortsfremde) Radfahrende kommen sicherer und schneller an.
Damit das Fahhrad auch zukünftig ein beliebtes und sicheres Verkehrsmittel in Neukölln
ist, wollen wir den Fahrradunterricht für Kinder und die Jugendverkehrsschulen personell
und finanziell deulich besser ausstatten.
Gemeinsame Planung mit dem Umland
Mit den neu entstehenden Wohngebieten in Großziethen und Schönefeld, aber auch auf den
Buckower Feldern, ist mit einem weiteren Anstieg des Verkehrs zu rechnen. Für die Straßen-
und ÖPNV-Infrastruktur des Neuköllner Südens stellt dies eine große Herausforderung dar.
Wir setzen uns deshalb für eine koordinierte, abgestimmte Verkehrsplanung mit den
Umlandgemeinden Schönefeld und Großziehten ein, um auch landesgrenzenüberschreitende
Themen wie U7, Radwege, Verkehrsströme und Busangebote erfolgreich umzusetzen.
Wir wollen die Ansätze zu einer überregionalen Kooperation in der Verkehrsplanung zwischen
Neukölln und der Gemeinde Schönefeld sowie dem Landkreis Dahme-Spreewald (LDS)
intensivieren, und den Austausch und die Vernetzung auch mit regelmäßigen gemeinsamen
Sitzungen stärken.
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